BÜRGERLCHER ZWIST ZWISCHEN DEN PARTEIEN DES ESTABLISHMENT UND DEN PROTESTPARTEIEN
BREITET SICH DER PROTEST IN EUROPA AUS?
Alle Wahlprojektionen stimmen überein: bei den bevorstehenden Europawahlen werden “die Populisten einen starken Zuwachs verzeichnen”, während man eine “beachtliche Krise der traditionellen Parteien” beobachten wird. Um es einfacher auszudrücken: die euroskeptischen Protestparteien der rassistischen Rechten, aber auch die euroskeptischen Parteien der Linken und des Zentrums werden erheblich zulegen, während die traditionellen Regierungsparteien des Establishment, die für die Europäische Union sind, zurückfallen werden.
Wenn dieser Zuwachs der euroskeptischen Parteien die Mehrheit in Brüssel erreicht, so behaupten die Populisten, werden sie gegen die europäische Finanzpolitik der Union vorgehen können, die die europäischen Großbanken und Industrie bis dato diktieren, und für die sich die traditionellen Parteien bis jetzt eingesetzt haben. Einige politische Beobachter lehnen sich sogar soweit hinaus zu erklären, dass wenn dies eintritt, es sich um “die größte politische Veränderung handeln werde, die das Europa der Nachkriegszeit erlebt habe”. Unserer Meinung nach wird dies kein so “umwerfender” Wandel sein, wie sie behaupten, er wird in der bürgerlichen Presse allerdings sicher als bedeutende “Transformation” gepriesen werden.
Als führende Kraft in dieser “euroskeptischen Transformation” platzieren die Populisten die in Italien regierenden Lega und 5-Sterne Bewegung in der vordersten Linie, die gemeinsam mit den Euroskeptikern der französischen Rechten von Le Pen und der Linken von Mélenchon, den Spaniern der Podemos, den Holländern der PVV von Geert Wilders, der rechten AfD und Zentristen sowie der Grünen Deutschlands, den Griechen von Tsipras und den österreichischen Populisten der ÖVP, das europäische Parlament in Straßburg stürmen werden.
Was all diese heterogenen Parteien eint, die sich eigentlich sehr voneinander unterscheiden, ist bekanntlich die bittere Kritik an der Europäischen Union. Die Gesetze und Maßnahmen, die die EU im letzten Jahrzehnt erlassen hat, und die dann von den verschiedenen europäischen Regierungen übernommen worden sind, haben vor allem die Jugend, die Arbeiter, die proletarischen Familien und die Rentner hart getroffen, und auf der anderen Seite die reichen europäischen Eigentümer, Bankiers und Unternehmer maßlos begünstigt. Die Reaktionen gegen diese Maßnahmen werden nun immer stärker: Bittere Streiks in Frankreich, Proteste in Griechenland, euroskeptische Populisten an der Regierung in Italien und Österreich. Es sind nun eben genau diese kritischen populistischen Parteien, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, diesen Protest im Parlament zu vertreten.
Viele glauben, dass die rassistischen Rechtsparteien wie die von Le Pen in Frankreich, die Lega in Italien, die AfD in Deutschland, die PVV in Holland oder die FPÖ in Österreich nur wegen ihrer Anti-Immigrationspolitik Stimmen bekommen. Dem ist nicht wirklich. In Wirklichkeit sind diese Parteien nicht nur rassistisch, sondern auch der EU gegenüber ausgesprochen negativ eingestellt, und viele Arbeiter und junge Menschen, die durch die europäischen Maßnahmen Nachteile erfahren haben, sehen in diesen Organisationen einen Wall zur Verteidigung ihrer Interessen und stimmen somit auch aus diesen Gründen für sie. Zum jetzigen Zeitpunkt, an dem wir schreiben (Mitte April) ist es schwierig zu sagen, wie groß die brodelnde Wut und der Protest effektiv sein wird, und sich daher durch die Wählerstimmen Ende Mai manifestieren wird.
Eins ist sicher, wir die revolutionären Marxisten sind ganz sicher auf Seiten der berechtigten und legitimen Proteste der ausgebeuteten Arbeiterklasse und gegen die EU- Maßnahmen, und dafür kämpfen wir. Wir sind allerdings auch völlig davon überzeugt, dass die euroskeptischen Populisten, die diesen Protest bei den Wahlen auf sich vereinen, opportunistische und transformative Parteien sind. Mit anderen Worten sind sie ganz klar bürgerliche Organisationen innerhalb des Systems, die es akzeptieren mit all seinen Kompromissen, Schweinereien und all dem Betrug, den die bürgerliche Gesellschaft von ihnen verlangt, und sie sind stets bereit auf jenes zu verzichten, was sie einmal erreicht haben, wie die Geschichte uns lehrt.
Indem sie für diese Protestparteien stimmen, glauben die Arbeiter eine Lösung für ihre Probleme gefunden zu haben. Aber sie werden bald eines anderen belehrt werden (wie immer). Die Erfahrung lehrt uns, dass nur die harten, kontinuierlichen und erbitterten Kämpfe (diesmal auf europäischer Ebene) mittels gewerkschaftlichen Streiks und Demonstrationen den Kapitalisten Einhalt gebieten und konkrete Ergebnisse zu Gunsten der Lohnabhängigen bringen können. Die opportunistischen populistischen Parteien der tausend Kehrwendungen haben sich letztendlich immer ans System, dem sie angehören, angepasst und es verteidigt.